Nachhaltige Zahnheilkunde
Bereits im privaten Bereich ist es mir ein Herzensangelegenheit meinen CO2 Fußabdruck zu minimieren. Ich beziehe Ökostrom, schalte beim Verlassen der Wohnung alles unnötige ab, nehme meine eigenen Einkaufsbeutel mit in den Supermarkt, kaufe gebrauchte Sachen, etc.
Doch lässt sich Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf in einer Zahnarztpraxis praktizieren? Die Praxis Dr. Severine Saleh zeigt, wie es geht.
Wie bin ich auf die Idee gekommen?
Der Klimawandel ist bereits da und macht krank: Chronische Erkrankungen nehmen derzeit überproportional zu: die Schadstoffe aus Umweltbelastungen sammeln sich auf der Haut, in der Lunge und im gesamten menschlichen Körper an und verrichten dort einige Schäden.
Unsere Anpassung an veränderte Klimabedingungen hat Grenzen, aber wir können unser Handeln verändern!
Zu einer modernen Praxis gehört daher meiner Meinung nach auch das Thema Nachhaltigkeit und der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen. Für mich stand von Anfang an fest, dass ich meine Praxis komplett digitalisiere.
Welche Parameter beim Klimaschutz lassen sich in der Zahnarztpraxis beeinflussen?
Den Kern von Nachhaltigkeit sehe ich darin, Plastik(-müll) zu verringern, regionaler einzukaufen und auf Papier zu verzichten, wo immer möglich.
Ein großer Fußabdruck von Zahnarztpraxen entsteht durch die Wege der Mitarbeiter und Patienten zur Praxis und zurück. Auch der Stromverbrauch lässt sich an einigen Stellen herunter regeln.
Die größte Arbeit steckte erstmal in der Evaluation des Status quo: Wie hoch ist der aktuelle CO2-Fussabdruck? Danach ging es um die Recherche zu alternativen Produkten oder Prozessen und das Finden seriöser Klimakompensationsprojekte.
All die genannten Stellschrauben wurden unter der Prämisse getätigt, dass das Prozessmanagement und auch die neu zu verwendenden Produkte wissenschaftlich basiert nachhaltig sind, ohne die Sicherheit, Praktikabilität und Qualität der Behandlung und Praxisabläufe zu mindern.
Wie etabliere ich Nachhaltigkeit und Umweltschutz in meiner Zahnarztpraxis?
Die Möglichkeiten zu Fuß, per Fahrrad oder ÖPNV in die Praxis zu kommen sind aufgrund des zentralen Standortes der Praxis gegeben. Die Erreichbarkeit der Praxis kann somit als nachhaltig eingestuft werden.
Die Energieversorgung erfolgt durch Ökostrom. Elektrogeräte und auch die Heizung werden über Nacht und am Wochenende ausgeschaltet. Es wird stoßweise gelüftet und auch der Wasserverbrauch wird kritisch beobachtet. Der Einsatz von stromsparenden LED Leuchten unterstützt die Nachhaltigkeit zusätzlich.
Zum Thema Abfallversorgung haben wir uns auch Gedanken gemacht: Es erfolgt eine sorgfältige Mülltrennung und im Sinne der Abfallvermeidung werden Materialbestellungen gebündelt, Plastikumhänge der Patienten durch waschbare Handtücher ersetzt und bewusst auf Einmalartikel, wenn möglich, verzichtet. Mundspülbecher aus Pappe kommen zum Einsatz genauso wie Bambuszahnbürsten. Wir verschicken kein unnötiges Werbematerial oder Erinnerungen in Papierform an die Patienten.
In meiner Praxis kommt kein Amalgam zum Einsatz und wir benutzen nachhaltige, möglichst mikroplastikfreie Produkte in der Prophylaxe.
Unser oberstes Gebot ist es im Praxisbetrieb Papier einzusparen, so dass wir stattdessen E-Mails versenden oder telefonieren. Unser Druckerpapier ist Recyclingpapier, genauso wie die Einmal-Handtücher auf der Toilette.
Im Rahmen der Digitalisierung wird keine handschriftliche Anamnese mehr erhoben. Digitales Röntgen ersetzt die Natur vergiftende Röntgenchemie und die digitale Abformtechnik mithilfe eines Intraoralscanners spart nicht nur das umweltschädliche Abformmaterial ein, sondern auch die Medizinprodukteaufbereitung und Wege zwischen Dentallabor und Praxis.
Auch im Bereich der Materialwirtschaft achten wir auf nachhaltige Abläufe durch regelmäßige Überprüfung von Verbrauchsmaterialien auf Haltbarkeit und Bündelung von Sterilgut-Prozessen.
Meine Fortbildungen fanden in den letzten 2 Jahren vor allem online statt. Dies versuche ich beizubehalten, so dass die CO2-Entstehung wegen Fahrten und Hotelaufenthalten wegfällt.
Da meine Zahnarztpraxis nicht zu 100% klimaneutral ist, unterstütze ich die Klimakompensationsplattform “tree-nation”, wodurch für jeden Patientenbesuch in meiner Praxis in verschiedensten weltweiten Projekten ein Baum gepflanzt wird.
Was sind die nächsten Schritte um die Nachhaltigkeit weiter auszubauen?
Ich habe alle Vorkehrungen geschaffen, um im Bereich der Telezahnmedizin eine Videosprechstunde datenschutzkonform anbieten zu können. Insofern der rechtliche Rahmen gegeben ist, sind so unnötige Wege seitens des Patienten einzusparen um beispielsweise Therapiepläne oder auch Beratungen auf Wunsch des Patienten vorzunehmen.
Zahngoldrecycling ist ein interessanter Aspekt, der technisch noch nicht zu 100% umsetzbar ist. Zahnersatz aus nur recyceltem Zahngold könnte dazu beitragen, dass die Dentallegierungen nicht auf neues Edelmetall angewiesen sind, so dass kein CO2 durch Abbau der Minen/Bergwerke entsteht.
Das Ziel ist mittelfristig zu 100% klimaneutral zu werden und an einigen Prozessen weiter zu feilen. Dies bedeutet zwar einen finanziell erhöhten Aufwand, weil die umweltverträglichen Ersatzprodukte (Hygieneartikel, Reinigungsmittel) deutlich teurer sind, der Umwelt zu Liebe ist es das aber allemal wert!